Kommentar zum Bürgerentscheid
Der Karlsruher Gemeinderat hat am 23. Juli 2002 der "Kombi-Lösung" zur Führung des Schienenverkehrs in der Innenstadt zugestimmt und die Durchführung eines Bürgerentscheids zu dieser Frage am 22. September 2002 beschlossen. Der folgende Text wurde den Karlsruher Bürgern beim Bürgerentscheid zur Entscheidung vorgelegt.
Wortlaut des Bürgerentscheides am 22. September 2002 | |||
Sind Sie
zur Entlastung der Kaiserstraße und Umgestaltung der Karlsruher
Innenstadt für die Unterstützung der "Kombi-Lösung", die aus
folgenden Maßnahmen besteht (siehe nebenstehende Information):
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Der
Gemeinderat spricht sich für folgende Konzeption zur künftigen Führung
des Schienenverkehrs in der Innenstadt aus:
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Kommentar zur Formulierung der Fragestellung
Den Bürgern wurde mit dieser Fragestellung jeglicher Entscheidungsspielraum genommen, da nur eine Gesamtlösung zur Abstimmung gestellt wurde. Bei genauer Betrachtung reduzieren sich die drei in der Fragestellung aufgeführten Maßnahmen auf nur noch zwei Maßnahmen. Die Lösung mit einem Stadtbahntunnel in der Kaiserstraße und der Beibehaltung der oberirdischen Straßenbahnstrecke wurde schon im letzten Bürgerentscheid abgelehnt. Daher sind die beide ersten Maßnahmen miteinander verknüpft (Stadtbahntunnel Kaiserstraße = schienenfreie Fußgängerzone). Dagegen sind die Maßnahmen "Stadtbahntunnel in der Kaiserstraße" und "Umgestaltung der Kriegsstraße" getrennt zu behandeln. Der Bürger, der für die Umgestaltung der Kriegsstraße aber gegen den Stadtbahntunnel in der Kaiserstraße ist, konnte bei dieser Fragestellung weder mit "Ja" noch mit "Nein" abstimmen, da mit keiner Antwort seine Meinung korrekt wiedergeben konnte.
Die Formulierung auf der rechten Seite "... zur Erhaltung von oberirdischen Abbiegebeziehungen nach Süden im Bereich des Berliner Platz sowie beim Europaplatz" ist irreführend, da sie suggeriert, dass die bestehenden Abbiegebeziehungen an diesen Knotenpunkten erhalten bleiben. Tatsächlich ist aber nur vorgesehen, die bestehende Abbiegebeziehung der Linien 2 und 6 (Karlstor - Mühlburger Tor) am Europaplatz zu erhalten, die Abbiegebeziehungen Richtung Marktplatz der Linien 3 und 4 am Kronenplatz bzw. am Europaplatz gehen mit der "Kombi-Lösung" verloren. Dies lässt sich aus der obigen Fragestellung aber nur für Experten herauslesen, der Wähler wird dadurch jedoch falsch informiert bzw. in die Irre geführt.
Die Aussage in der zusätzlichen Information, dass die Planungen für beide Maßnahmen (Kaiser- und Kriegsstraße) gleichzeitig aufgenommen werden sollen, ist sehr vage. Es wird nicht klar festgelegt, dass nur beide oder evtl. auch nur eine Maßnahme realisiert werden kann. Auch wird keine (zeitliche) Priorität für die Bauausführung einer der beiden Maßnahmen deutlich. Es könnte also nach dem positiven Entscheid passieren, dass erst der Stadtbahntunnel gebaut wird, und das Projekt der Umgestaltung der Kriegsstraße dann aus finanziellen oder politischen Gründen scheitert.
Dass der Umbau der Kriegsstraße vor dem Bau des Stadtbahntunnels in der Kaiserstraße technisch nicht möglich sei - wie von den Tunnelbefürwortern oft behauptet -, ist bei genauer Betrachtung nicht haltbar, da der Umbau der Kriegsstraße vollkommen unabhängig von der Frage des Stadtbahntunnels ist (Für den Autoverkehr in der Kriegsstraße ist die Kaiserstraße absolut irrelevant, genauso wie die Kriegsstraße zzt. für den Straßenbahnverkehr in der Kaiserstraße absolut irrelevant ist.). Beim Bürgerentscheid hätte es also eigentlich um zwei Fragen gehen sollen: a) Der Umbau der Kriegsstraße und b) der Stadtbahntunnel unter der Kaiserstraße. Der Umbau der Kriegsstraße wird eigentlich von allen Seiten befürwortet. Die Kombination der beiden Fragen, war also nur ein Trick, um gleichzeitig mit der Zustimmung zum Umbau der Kriegsstraße, die Zustimmung zum Bau des Stadtbahntunnels in der Kaiserstraße zu erhalten.
Das Ergebnis des Bürgerentscheids
Die Bürger der Stadt Karlsruhe haben sich beim Bürgerentscheid am 22. September 2002 für die vorgeschlagene "Kombi-Lösung" entschieden. Insgesamt haben 82.475 Wähler (55,1 %) mit "Ja" und 65.993 Wähler (44,1 %) mit "Nein" abgestimmt. Unter den abgegebenen Stimmen (149.725) waren 1.257 (0,8 %) Enthaltungen oder ungültige Stimmen. Über das vollständige Abstimmungsergebnis informiert das Amt für Stadtentwicklung der Stadt Karlsruhe.
Interessant ist neben dem Gesamtergebnis aber vor allem die Verteilung der Stimmen zwischen den einzelnen Stadtteilen. Während nahezu alle Stadtteile der Innenstadt (Innenstadt Ost, Innenstadt West, Südstadt, Südweststadt und Weststadt) die "Kombi-Lösung" mit bis zu 54,5 % Nein-Stimmen (Weststadt) abgelehnt haben, kommt die größte Zustimmung mit über 60 % Ja-Stimmen aus den außerhalb gelegenen Stadtteilen (Grötzingen, Daxlanden, Stupferich, Hohenwettersbach, Wolfartsweier und Oberreut).